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Man kann einem amerikanischen Autor nicht vorhalten, einen amerikanischen
Roman geschrieben zu haben, in dem ein legendäres Baseballspiel in
den 50er Jahren im Mittelpunkt steht. So hat sich der europäische
Leser, dem weder Namen noch Anspielungen etwas sagen, zunächst über
50 Seiten durch dieses Spiel zu quälen. Im Anschluß daran beginnt
eine verwickelte Geschichte quer durch die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts
mit zahllosen Rückblenden und Einschüben von Nebenhandlungen.
Zentrale Figur ist der Müllmanager Nick Shay, aufgewachsen in der
Bronx. In seiner turbulenten Jugend hat er ein kurzes, aber intensives
Verhältnis mit der Künstlerin Klara Sax, die er Jahrzehnte später
wieder aufsucht. Nicht nur das: Als 17-Jähriger erschießt er
versehentlich einen Billiard-Kumpanen, muß in eine Besserungsanstalt
und entwickelt sich fortan zu einem Musterknaben. Später arbeitet
er in einem Forschungslabor an der Entwicklung von Atombomben.
Damit sind die amerikanischen Themen der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
und des Romans angerissen: der Baseball, der die Medien und die Trivialmythen
dominiert, das Müllproblem, das die Kultur unterminiert sowie das
Wettrüsten. Auf dem Müll wachsen die Städte, von ihm ernähren
sich die Straßenkinder und profitieren ganze Industriezweige. Nicht
nur diese "Unterwelt" bestimmt die Zeit des Kalten Krieges, sondern
vor allem das Wettrüsten und geheime Forschungen im Verborgenen. Die
Atomtests verseuchen tausende von Zivilisten, die mit ihren rätselhaften
Krankheiten und Mißbildungen ebenfalls eine Art "Unterwelt-Dasein"
führen.
An dem ganzen Geschehen ist Nick Shay immer wieder beteiligt, alles
hängt mit allem auf irgendeine Weise zusammen. In Nicks Leben werden
zahllose Geschichten eingeblendet - schnell geschnitten und oft überraschend.
So etwa Episoden aus dem Leben seines Bruders Matt, flüchtige Affairen
im Hotel, ein Highway-Killer, der zufällig bei einem Mord gefilmt
wird, Aids-kranke Straßenkinder und Nonnen, die sich um sie kümmern
etc.
Don de Lillo gelingen faszinierende Beobachtungen; mitunter hat man
das Gefühl, in dem Film "Short Cuts" zu sitzen, in dem plötzlich
winzige Details fokussiert werden, so z.B. das Verfallsdatum auf den Verpackungen
im Supermarkt - der Müllmanager Nick sieht in jeder Ware bereits den
Müll.
Der knapp tausend Seiten umfassende, auch in der Übersetzung noch
sprachgewaltige Roman ergründet akribisch den Alltag der letzten 50
Jahre, ebenso die Politik und das Showgeschäft. Ein wenig jedoch vergällen
einem die Dialoge den Genuß. Sie sind oft unrealistisch intelligent
und talkshowartig psychologisierend. Endlose Kneipenszenen mit Geschwätz,
das sich bloß um sich selbst dreht, beherrschen ganze Kapitel.
Ganz zuletzt, nach 950 Seiten, wird der Roman von Pathos erschlagen.
Eines der Straßenkinder wird vergewaltigt und ermordet, CNN berichtet
über die anrührende Geschichte, wie sich Nonnen um die armen
Würstchen kümmern. Und siehe da: Auf einer Plakatwand erscheint
das Gesicht des Mädchens für Sekundenbruchteile, und zwar immer
dann, wenn der Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Zuges die Wand erleuchtet.
Nicht genug: Die Nonne Edgar verliert sich in metaphysischen Gedankenspielen
im World Wide Web, vereinigt sich dort auf mystische Weise mit dem längst
verstorbenen Geheimdienstboß J. Edgar Hoover, und als allerletztes
Wort, als allerletzter Satz und Absatz des Romans steht geschrieben: "Frieden."
Matthias Kehle (Amen!)
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