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"Perdido Street
Station" gewann im Jahre 2003 den Kurd-Laßwitz-Preis als bestes fremdsprachiges
Werk der Phantastik. Die Übersetzerin Eva Bauche-Eppers gewann passenderweise
den Preis für die beste Übersetzung.
Grund genug für ein wirklich fantastisch günstiges Sonderangebot von
amazon.de: Exklusiv bei amazon erscheint eine einbändige
Sonderausgabe des zuvor für den deutschen Markt in zwei Bände ("Die Falter" und
"Der Weber") aufgeteilten Originals. Das gebundene Buch besticht nicht nur durch
seine hochwertige Bindung und gefällige Präsentation, man spart auch ungefähr
sechs €uro gegenüber dem Erwerb der beiden Paperbacks.
"Phantastik" ist wohl noch die treffendste Beschreibung für den wilden Mix aus
Fantasy, Science-Fiction und innovativen eigenen Gedanken, den der Autor China
Miéville mit "Perdido Street Station" abliefert:
New Crobuzon ist ein gigantischer Moloch, eine Stadt, in der Menschen,
fremdartige Rassen, mechanische Konstrukte, Mutanten, Arbeiter, Sklaven, Huren,
Magier, Wissenschaftler und Scharlatane leben. Sowie zahlreiche gescheiterte
Existenzen, wie der wegen eines Verbrechens mit der Entfernung seiner Flügel
bestrafte Garuda Yagharek. Er sucht die Hilfe des arg verzettelten Genies Isaac
Dan dar Grimnebulin – für viel Gold soll dieser ihm helfen, seine ursprünglichen
Flügel wiederherzustellen.
Dieses einfache Anliegen ist der Auslöser für eine große Katastrophe: Isaac
untersucht verschiedene Flugwesen, von fliegenden Eidechsen über normale Vögel
bis hin zu Insekten. Eines seiner Sorgenkinder ist eine exotische, bunt
schillerende Raupe, die sein Interesse geweckt hat: Sie frisst nichts, bis auf …
Dreamshit, die angesagteste Droge von ganz New Crobuzon!
Die kleine Raupe wächst zu gewaltiger Größe und verpuppt sich. Als Isaac wieder
nach Hause kommt, findet er einen seiner besten Freunde halbtot als lallenden
Idioten wieder. Das erste Opfer des "Falters", der ausgebrochen ist, ihn
ausgesaugt hat, und nun mit seinen besonderen Fähigkeiten Angst und Schrecken in
der Stadt verbreitet!
Sicher kein harmloses, kleines Insekt, wie man meinen könnte … Der Falter
befreit seine Artgenossen, die von dem Gangsterboss "Vielgestalt" zu
kommerziellen Zwecken missbraucht werden. Ironischerweise arbeitet Isaacs
Freundin Lin, eine Khepri, gerade an einer Plastik des eitlen Vielgestalt …
Dieser wird wütend auf Isaac, den er fälschlich als Rivalen auf dem Drogenmarkt
ansieht, und nimmt Lin als Geisel.
Die Lage spitzt sich zu: Auch die Regierung ist in Machenschaften mit den
tödlichen Faltern und der Unterwelt verwickelt. Bürgermeister Rudgutter weiß
keine anderen Rat mehr, als den "Weber", eine gigantische transplanare, absolut
fremdartige Riesenspinne, um Hilfe zu bitten. Doch auch andere Gruppen nehmen
den Kampf gegen die Falter auf, während der von allen Seiten gehetzte Isaac mit
seinen Freunden Zuflucht im Zentralbahnhof, der namensgebenden "Perdido Street
Station", sucht.
Der Autor
Der 1972 geborene China Miéville ist, um Missverständnissen vorzubeugen, ein
Mann. Den Namen erhielt er von seinen Hippie-Eltern, es handelt sich hierbei um
kein Pseudonym – was bei einem solch prägnanten Namen wohl überflüssig wäre.
Der politisch stark links orientierte, bekennende Sozialist Miéville hat eine
bildhafte Phantasie, die sich auch in seiner wortreichen Sprache und seinem
gewaltigen Ideenreichtum niederschlägt. Seine politische Einstellung erschließt
sich dagegen nicht aus seinen Romanen, nur eine deutlich anti-autoritäre Haltung
ist unverkennbar. Derzeit promoviert China an der London School of Economics
in "Philosophy of International Law", an der er auch seinen Master-Titel in
sozialer Anthropologie mit Auszeichnung erworben hat. Bereits sein erster Roman,
"König Ratte", wurde für zahlreiche Auszeichnungen nominiert.
Bis heute erschienen desweiteren "Perdido Street Station" (Deutsch: "Die
Falter", "Der Weber"), "The Scar" ("Die Narbe" ,
"Leviathan") und "Iron Council" (Deutsch in
Kürze, der Titel wird vermutlich "Moloch" und der Roman diesmal nicht aufgeteilt
sein). Alle diese voneinander völlig unabhängig lesbaren Romane spielen in der
fantastischen Welt Bas-Lag.
Ein Kaleidoskop der Ideen
Bunt und exotisch ist die Welt Bas-Lag. New Crobuzon besitzt eine exotische
Atmosphäre, die begeistert. Exotische Lebensweisen und Bewohner gibt es zuhauf,
wobei besonders auffällt: keine Elfen, keine Orks, keine bekannten
fantasytypischen Rassen. Der ganz normale Mensch ist vielmehr der Exot. So ist
Isaacs Freundin Lin eine Khepri: Ein Wesen mit menschlichen Körper, aber mit
einem insektoiden Käferkopf. Im wahrsten Sinne des Wortes ein "flotter Käfer".
Die Unterhaltung des ungleichen Paares erfolgt über Gesten und schriftlich.
Diese Beziehung könnte Isaac seine Stellung an der Universität kosten, auch Lin
ist bei den Khepri als Skandalfigur bekannt. Darum sind sie stets bemüht, ihre
Liebschaft geheimzuhalten.
Dann gibt es noch Yagharek, den Garuda – ein an den mythischen indonesischen
Vogel erinnerndes Vogelwesen. Er tritt in das Leben der beiden und löst die
verhängnisvolle Kette von Ereignissen aus, die New Crobuzon an den Rand des
Verderbens bringt.
Dies unterscheidet "Perdido Street Station" von vielen anderen Büchern: Die
Geschichte entsteht aus einer natürlich anmutenden Verkettung von Ereignissen
und verbindet zahllose interessante Einzelschicksale miteinander. Keine
Prophezeiung, Legende oder ein klar definiertes Ziel treibt die Handlung voran.
Vielmehr ergibt sie sich aus dem puren Zufall, dem sozialen Chaos New Crobuzons.
So ist man anfangs ein wenig im Unklaren, worum es überhaupt geht. Bis der
Falter schlüpft, dauert es eine ganze Weile, während der man sich an die
zahllosen exotischen Rassen New Crobuzons, wie die an Kakteen erinnernden
Kaktusmenschen oder die von der Regierung als Strafe für Verbrechen in eine Art
dampfgetriebene Cyborgs oder in absurde Kreaturen umgewandelten "Remades",
gewöhnen kann.
Dabei liegt Miévilles Stärke in seinen Ideen, seine Welt ist wirklich innovativ
und einzigartig in ihrer Vielfalt, die sie lebendig macht. Seine anti-autoritäre
Einstellung zeigt sich in der negativen Darstellung der Regierung New Crobuzons:
Sie ist eng mit der Unterwelt verbandelt und an der Katastrophe mitschuldig.
Bevor man sich an den "Weber" wendet, ersucht der Bürgermeister erst einmal
Hilfe vom Botschafter der Hölle in New Crobuzon, der direkt unter seinem
Amtssitz residiert – deutlicher geht es wohl kaum, Mr. Miéville …
Seine bildhafte Sprache ist oft wunderschön, leider kann sie auch oft in
Verbindung mit der erst spät einsetzenden Handlung bremsend und störend wirken.
So wirft Miéville oft mit Wörtern wie "elyktrisch" oder "chymisch" herum, wo es
ganz klar um elektrische oder chemische Zusammenhänge geht. Alchemie würde den
Gebrauch des letzten Wortes eher rechtfertigen. Genauso ist der Ausdruck "numinoser
Arachnide" genauso faszinierend wie auch irritierend und schlichtweg
unverständlich.
Hierzu eine kleine Leseprobe von Miévilles Stil:
"Das Wissen, dass sie den Auftrag an Land gezogen hatte, das große Los, den
Haupttreffer, die künstlerische Herausforderung, von der alle träumten, das
Lebenswerk, trennte sie von ihren Freunden. Und ihr furchteinflößender Klient
machte die Isolation perfekt. Lin fühlte sich, als wäre sie plötzlich,
unvermittelt aus der maliziösen, verspielten, lebhaften, prätentiösen,
selbstbezogenen Enklave von Salacus Fields in eine gänzlich andere Welt gestoßen
worden."
Mitunter kann ein derartiges Adjektivbombardement das Lesen unnötig erschweren,
was meiner Faszination leider ein wenig Abbruch tat.
Der Übersetzerin Eva Bauche-Eppers kann man das kaum zum Vorwurf machen – sie
hat ihre Aufgabe wirklich hervorragend gelöst und den sehr eigenen Stil
Miévilles vortrefflich ins Deutsche übertragen. Frau Bauche-Eppers übersetzte
übrigens auch die Romane der ebenfalls für ihre sprachliche Finesse bekannten
Autorin Robin Hobb
("Der Adept des Assassinen").
Im Gegensatz zu ihrer Stärke, überzeugenden und beeindruckend charakterisierten
Figuren, wie ihren bekanntesten Helden Fitz, sind Miévilles Charaktere etwas
blass, sie leben vielmehr von der Exotik ihrer Umwelt und der Handlung. Wirklich
starke Sympathieträger oder Schurken sucht man vergeblich, sie ordnen sich der
Vielfalt der Charaktere und Handlungsstränge unter.
Fazit: Innovation pur
Den Kurd-Laßwitz-Preis hat sich der Roman wirklich verdient: Neue Ideen braucht
das Land – und da ist dieser Roman einfach einsame Spitze.
Die Art der Erzählung ist eine große Stärke, alles wirkt natürlich entstanden,
aus einfachen Dingen entwickelt sich zufällig ein großes Abenteuer, in dem
zahllose interessante Charaktere und ihre Schicksale miteinander verbunden
werden. Ein gewisses Horror-Element ist auch vorhanden, die Falter wüten
wirklich schrecklich in New Crobuzon.
Die Sprache kann faszinieren, aber sie ist auch anstrengend zu lesen und oft
einfach zu ausladend und sonderbar, was das Lesen mitunter erschwerte und mich
zu Pausen nötigte. Die Art der Handlungsentwicklung ist innovativ und
interessant, aber leider dauert es ziemlich lange, bis ein Faden erkennbar wird,
in Verbindung mit den bremsenden Eigenheiten der Sprache die einzige wirkliche
Schwäche dieses Romans.
Alles in allem kann ich "Perdido Street Station" nur empfehlen – und die
wirklich günstige und hochwertige einbändige Sonderausgabe von Amazon ganz
besonders. Das schöne Titelbild ist hier der einzige Kritikpunkt: Der
Hintergrund zeigt ganz klar New Crobuzon – die Frau auf dem Cover taucht dagegen
im Roman niemals auf, sie sieht keiner Person auch nur ähnlich. Ein reiner
Eyecatcher für bei Amazon browsende Kunden.
Wer weiß, vielleicht bringt Amazon ja auch eine einbändige Sonderausgabe des
zweiten Buches in Bas-Lag,
"The Scar", heraus? Eines ist gewiss: Preis
und Leistung stimmen hier – ein absoluter Geschenktipp für Leseratten und
Buchwürmer, die offen für neue Ideen sind.
Homepage des Autors:
http://www.chinamieville.co.uk/
Fanseite im Stil der New Crobuzoner-Untergrundzeitung:
http://runagate-rampant.netfirms.com/
Michael Birke [07.11.2004]
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Danke.
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