Noelle Chatelet
Das Sonnenblumenmädchen
Bestseller. Kiepenheuer und Witsch Verlag, ISBN: 3-462-02878-2
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Jungs mit Zahnlücke küssen besser
Ein Urlaub nur unter Frauen, das hat schon etwas Verlockendes. Nur mit Mama, ihrer Freundin und deren Tochter Bénédicte, da kann Mathilde ihren Schmerz vergessen, dass es diesmal nicht ans Meer geht, sondern "nur" in die Provence. Und als sie am Ziel angekommen sind, gibt es da Aprikosen, die man noch warm von der Sonne vom Baum pflücken kann, ein Sonnenblumenfeld mit einem unvorstellbaren Gelb und auf dem Nachbarhof den siebenjährigen Remi mit seiner imposanten Zahnlücke.
Nach und nach entwickelt sich eine zarte Liebe zwischen den beiden Kindern, die auch nicht von der vermeintlichen Konkurrenz durch die hübsche, elegante, aber auch etwas eingebildete Bénédicte gestört werden kann. Die beiden genießen das Zusammensein in vollen Zügen. Remi nennt seine Freundin Ma-Thilde, "meine Tilde", äußert sich anerkennend über ihr gepunktetes Kleid und weiß es zu schätzen, dass sie nie Angst hat, "höchstens ein kleines bisschen". Mathilde nimmt begierig auf, was ihr Remi alles über das Leben auf dem Land beibringt und entdeckt den Reiz seiner Zahnlücke beim Küssen.
Als die Ferien zu Ende gehen und die jungen Liebenden sich der baldigen Trennung bewusst werden, schmieden sie Pläne, nach Italien durchzubrennen. Doch Ohrfeigen beenden die Flucht schon im Ansatz. Am Ende sind die Sonnenblumen schwarz und verdorrt; Mathilde hat eingesehen, dass sie zurück muss nach Paris, um zur Schule zu gehen und sich um ihre Mutter zu kümmern. Und während der langen Heimfahrt hat sie zu ihrer Verwunderung gesehen, dass es auch am Rand der grauen Stadt leuchtend gelbe Sonnenblumenfelder gibt.
In "Dame in Blau" und "Die Klatschmohnfrau" hat die mit dem Prix Goncourt, dem bedeutendsten französischen Literaturpreis, ausgezeichnete Autorin gezeigt, dass auch im Alter Verlieben möglich und schön ist. Nun wendet sie sich der Kindheit zu und erzählt mit einer bewundernswerten Leichtigkeit, wie ein kleines Mädchen ihre erste Liebe erlebt. Es gelingt Noëlle Châtelet eindrucksvoll, die Gedanken- und Gefühlswelt Mathildes mit all ihren Zweifeln, Ängsten, ihrer Freude und Eifersucht darzustellen. Mit dem diesem kleinen Roman hat die Autorin ihre Trilogie der Farben abgeschlossen, leider möchte man hinzufügen, denn solch charmante, unbeschwerte und einfühlsame Erzählkunst ist nur selten zu finden.
Dietmar Adam
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