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Dan Browns
Kirchen-Thriller "Illuminati" und "Sakrileg" platzieren sich beständig an der
Spitze internationaler Bestsellerlisten. Die immense Popularität dieser Romane
zeigt sich auch in der für 2006 mit internationalen Stars wie Tom Hanks, Jean
Reno und Audrey Tautou geplanten Verfilmung von "Sakrileg". Bis zum Erscheinen
seines nächsten Buches, Thema sind diesmal die Freimaurer, dürfte noch einige
Zeit vergehen. Brown selbst gibt an, er wäre noch nicht weit genug
fortgeschritten, um einen Termin nennen zu können.
Grund genug für den Lübbe-Verlag, Browns damals nur mäßig erfolgreiches
Erstlingswerk "Digital Fortress" unter dem deutschen Titel "Diabolus" auf den
Markt zu bringen.
Wer überwacht die Wächter?
"Diabolus" spielt in einem ganz anderen Milieu: Dem der Geheimdienste, Computer
und Kryptographie, ähnelt also eher "Meteor".
Mit dem mysteriösen Tod Ensei Tankados in Sevilla beginnt für die NSA (National
Security Agency) ein Albtraum. Mit Diabolus hat der Japaner einen
Verschlüsselungsalgorithmus geschaffen, der selbst von der Geheimwaffe der NSA
nicht bezwungen werden kann. Der massiv parallele Großrechner TRANSLTR knackt
zuverlässig selbst den kompliziertesten Code – nur an Diabolus beißt er sich die
Zähne aus.
Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Tankado erpresst die NSA: Entweder man offenbart
der Welt die Existenz des TRANSLTR, oder er stellt den Schlüssel für das im
Internet frei herunterladbare Diabolus-Programm (mit sich selbst verschlüsselt
…) ebenfalls zum Download bereit. Die Folgen für die NSA sind in jedem Fall
katastrophal: Ihr geheimes Lieblingsspielzeug würde bekannt werden und Gegnern
der totalen Überwachung Munition liefern, oder es wird durch Diabolus nutzlos
gemacht.
Der Vizechef der NSA und Chef der Kryptographie, Commander Strathmore, sieht im
Tod von Tankado einen unverhofften Glücksfall: Tankado hatte den Schlüssel bei
sich. Würde es der NSA gelingen, Diabolus habhaft zu werden, könnte man unter
Umständen eine "Hintertür" in den Algorithmus einbauen, wie man es bereits
damals beim "Skipjack"-Programm versucht hatte. Alle Welt würde ihre Daten mit
Diabolus verschlüsseln, und die NSA könnte sie leichter denn je entschlüsseln …
Zu diesem Zweck schickt er den nicht zur NSA gehörigen Universitätsprofessor
David Becker, den Freund seines Protegés, der attraktiven und begabten
Kryptographin Susan Fletcher, nach Sevilla. Während Strathmore Tankados
Verbündeten "North Dakota" sucht, der ebenfalls den Schlüssel zu Diabolus
besitzt, bekommt Becker Probleme:
Tankado hat kurz vor seinem Tod einen mit seltsamen Zeichen gravierten Ring an
einen Touristen weitergegeben … den Schlüssel zu Diabolus.
Brownsche Schnitzeljagd
Es entwickelt sich die für Brown typische Hochgeschwindigkeits-Schnitzeljagd,
die bereits "Illuminati" auszeichnete. Im Grunde genommen ist damit bereits
alles gesagt – es ist verblüffend, wie Brown es schafft, alle seine Romane nach
genau demselben Schema ablaufen zu lassen.
Ohne große Verzögerung wird man in die Handlung geworfen, die sich rasant
weiterentwickelt in den typischen, kurzen Kapiteln, häufigen Wechseln von einer
Person zur anderen und der im Handlungsverlauf nebenbei eingestreuten
Hintergrundinformationen. Auch eine überraschende Wende kurz vor Schluss ist
vorhanden, der obligatorische Killer ist wieder eine Person mit einer
körperlichen Besonderheit. Alle vier bisherigen Romane Browns folgen exakt
diesem Schema.
Im Unterschied zu seinen späteren Romanen fehlt es Brown jedoch noch an Routine
und Souveränität. Die Stärken sind noch nicht so ausgeprägt, die Schwächen dafür
offensichtlicher. So ist die Liebesbeziehung zwischen Susan (schön und
intelligent) und David (Robert-Langdon-Prototyp) geradezu peinlich kitschig,
während es an den leicht verdaulich aufbereiteten Details aus Kunst und
Geschichte mangelt. Kryptographie ist eben etwas trockener, und auch nicht
gerade Browns Gebiet. Zwar vermeidet er es, den Leser mit mathematischen Details
zu vergraulen, aber er bietet auch nichts, um wirklich zu faszinieren. In
historischen Szenarien hat Brown sein Revier gefunden, von der Detailfülle "Illuminatis"
oder "Sakrilegs" ist dieser Roman meilenweit entfernt.
Die größte Achillesferse des Romans ist das immer wieder verwendete und ziemlich
ausgelutschte Schema: So packend und unterhaltend es auch ist, es ermöglicht
jedem Leser der zuvor erschienenen Romane, den "geheimen" Bösewicht sofort zu
identifizieren, man hat ein nachhaltiges Déjà-vu-Gefühl, nicht gerade eine
Empfehlung für einen Thriller.
Die Übersetzung ist stilsicher und gelungen, hat aber gerade im Bereich der
Kryptographie erhebliche Schwächen, teilweise gehen diese aber wohl auf Dan
Brown selbst zurück: So besteht ein erheblicher Unterschied zwischen einem
128-Bit- und einem 128-Zeichen-Code. Logische Fehler der gröberen Sorte haben
sich auch eingeschlichen: Strathmore will das zum Download bereitstehende
Diabolus-Programm einfach austauschen, nachdem er es modifiziert hat. Wie will
er das unbemerkt tun - das verschlüsselte Original könnte man mit dem neuen
Schlüssel für die modifizierte Version entweder nicht entschlüsseln oder es
würde sich im direkten Vergleich klar von der NSA-Version unterscheiden. Das
würde natürlich niemand bemerken … - es gibt noch einige weitere
Unstimmigkeiten, die an dieser Stelle jedoch zu viel Handlung vorweg nehmen
würden.
Business as usual
Wo Dan Brown draufsteht, ist auch Dan Brown drin. Jeder Leser von "Illuminati"
und Konsorten weiß, was er zu erwarten hat: Dasselbe Schema in der
Light-Ausführung. Doch das ist und war zugegebenermaßen stets temporeich,
unterhaltsam und gut.
Gerade deshalb kann man sich "Diabolus" im Prinzip sparen – es ist nur der
hässliche, ältere Bruder. Das schöne Titelbild ist zwar passend zum Roman,
könnte aber falsche Assoziationen wecken. Ein Kirchen-Thriller ist der auch
namentlich (Diabolus – Teufel, teuflisch) in diese Richtung zielende, im
Original treffender "Digital Fortress" titulierte Roman nicht.
Mein Urteil ist gespalten: Wer mehr von Brown lesen will, der wird auch genau
das kriegen, was er erwartet – aber auch nichts anderes. Ich hoffe nur, Brown
weicht in seinem nächsten Roman von seinem Erfolgsschema ab und erinnert sich
stattdessen an eine alte Weisheit: Abwechslung erfreut.
Die deutsche Homepage des Autors:
http://www.dan-brown.de
Michael Birke [27.03.2005]
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Danke.
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