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Die im englischen
Lancaster geborene Schriftstellerin Cherith Baldry, die zuvor als Lehrerin
arbeitete, stellt mit "Der venezianische Ring" (Original: The Reliquary Ring)
die Übersetzung eines ihrer ersten Werke als Berufsautorin vor.
In einer zeitlich nicht näher bestimmten Stadt der Zukunft, die mit ihren
Kanälen und ihrer Herrschaftsstruktur an das alte Venedig des 18. Jahrhunderts
erinnert, zeigt sie dem Leser eine düstere Gesellschaft, in der Standesdünkel
und Rassismus den künstlich erzeugten Genicos das Leben schwer machen. Doch auch
die Technologie, insbesondere Genetik, verteufelnde Kirche kann den Fortschritt
nicht aufhalten. So halten sich viele Adelige Genicos als Haussklaven, auch wenn
man peinlich darauf achtet, sich nicht von ihnen berühren zu lassen.
Im Spiel um die Macht in der Stadt bedient sich der gottlose Graf Dracone
bedenkenlos aller Mittel, um sein Ziel zu erreichen. Der alte Herzog liegt im
Sterben, und gegenüber dem verarmten Mitbewerber Graf Loredan hat er einen
Trumpf im Ärmel:
Der exkommunizierte Doktor Heinrich soll für ihn aus einem Haar einen Klon
Christos', Gottes Sohn auf Erden, erzeugen.
Groschenoper in Venedig
Die Geschichte wartet mit einer breiten Zahl von Charakteren auf, deren
Gemeinsamkeit ihr durch den Grafen Dracone erfahrenes Leid ist. Viele Tabuthemen
werden aufgegriffen; so liebt der Genico Gabriel seinen Herren Leonardo, was
aber in den Augen der Kirche eine doppelte Sünde ist, die diesem bei der
Herzogswahl zum Nachteil gereichen würde. Die schöne Genica Serafina wird wie
eine Art kostbares Möbelstück von ihrer verstorbenen Herrin einfach
weitervererbt, ihr wunderbares Gesangstalent wird mit niederen Näharbeiten
vergeudet. Die Handlung wird von zahlreichen Mensch-Genico-Paaren
vorangetrieben, die einen sind ihren Herren oft gar in Liebe zugeneigt, andere
werden kontrastierend schlecht behandelt.
Von Anfang an als Schurke klar erkennbar ist der düstere Graf Dracone, der sich
der Hinterlist und brutaler Gewalt gleichermaßen bedient und vielen Genicos
mitsamt ihren Herren übel mitspielen wird. Damit hat sich seine Rolle aber auch
erschöpft. Er ist zugleich die einzige, immerwährende Quelle des Übels in der
Stadt, neben dem allgemeinen Rassismus der Menschen gegenüber den Genicos.
Betrachtet man die zahlreichen Liebesbeziehungen im Spiel um die Macht und die
klare Charakterzeichnung, kommt man recht schnell zu der Erkenntnis, um welche
Art Roman es sich hier handelt. In einer parabelhaften Weise wird das Leid der
stets wunderhübschen oder hochbegabten Genicos der Grausamkeit der rassistischen
menschlichen Gesellschaft gegenübergestellt. Dabei sind alle Charaktere von
Anfang an als Sympathieträger oder Antagonisten erkennbar, eine
Charakterentwicklung findet bei keiner Figur statt.
Nun soll das nicht heißen, der Roman wäre schlecht oder gar langweilig. Er ist
leider schrecklich offensichtlich angelegt, die etwas altbackene Art der
Charakterisierung ist offensichtlich ein Stilmittel zur Verdeutlichung der
klaren Gegensätze. Damit könnte man gut leben, aber leider gibt es diese
Stereotypen auch in jedem x-beliebigen Groschenheftchen. Allerdings versteht es
Baldry meisterlich, zahllose Erzählstränge nebeneinander parallel zu erzählen
und so für Abwechslung zu sorgen. Die Möglichkeiten, die das faszinierende
Pseudo-Venedig Baldry bot, hat sie aber leider überhaupt nicht ausgekostet. Man
hätte den Roman auch in eine beliebige andere Stadt verlegen können, denn außer
zum Ersäufen und spurlosen Beseitigen von Leichen werden die Kanäle der Stadt
nicht genutzt, sieht man von einer eher belanglosen Episode mit Meeres-Genicos
ab.
Gegen Ende des Romans sorgt zusätzlich ein nahezu wortwörtlicher Deus ex Machina
für Ordnung in der Stadt und den Sieg der Guten über die Bösen. Nicht gerade
sehr einfallsreich, zumal am Ende des Romans ein ziemlich unbefriedigendes
Gefühl bestehen bleibt, wenn sich alles urplötzlich in Wohlgefallen auflöst.
Fazit:
Das faszinierende Szenario einer an ein Parallelwelt-Venedig erinnernden Stadt
wird leider kaum ausgereizt, die Charaktere sind Stereotypen in Reinkultur. Dass
sie durchweg sympathisch und abwechslungsreich beschrieben sind, kann darüber
kaum hinwegtäuschen, sie machen aber den Großteil des Charmes des Romans aus.
Nur gelegentlich kommt mäßige Spannung auf, das sehr billig herbeigeführte
Happy-End kann ebenfalls nicht überzeugen.
Wer sich damit zufrieden gibt, wird leidlich gut bedient. Schade, in meinen
Augen hätte der zugrundeliegende Weltentwurf Möglichkeiten für weit mehr geboten
als nur einen weiteren mäßigen Groschenroman, dem man ansonsten nur die
vorzügliche Übersetzung von Irene Bonhorst zugute halten kann. Der Klappentext,
der den Roman in die Tradition Dan Browns und John F. Cases stellt, ist zudem
bewusst irreführend: Dieser Roman ist keinesfalls mit denen Dan Browns zu
vergleichen, ein bisschen Kirche und Okkultismus qualifizieren nun wirklich
nicht dazu. Qualitativ kann man ihn ebenfalls nicht in der Liga dieser
Erfolgsautoren ansiedeln.
Michael Birke [27.06.2005]
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