Paul Auster

Das rote Notizbuch

Kurzprosa. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. ISBN: 3-498-00048-9

Paul  Auster: Das rote Notizbuch

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Dass das Leben die unausdenklichsten Geschichten schreibt, wissen wir. Im Alltagstreiben aber vergessen wir es schnell. Und deshalb hören wir gerne zu, wenn uns jemand eine Geschichte erzählt, in der sich Unerhörtes im alltäglichen Leben ereignet -auch wenn uns dabei klar wird, dass unser Lebens- und Arbeitskosmos ein dünnes Glashaus ist, umgeben von Unfassbarem. Ein solcher Erzähler ist der 1947 geborene, in Brooklyn, New York, lebende Paul Auster. Das hat er hierzulande vielen schon als Autor des von Wayne Wang realisierten Films Smoke gezeigt, mit den Geschichten um den Tabakwarenhändler Auggie Wren und seinen Freund, den Schriftsteller Paul Benjamin.

Der bewährte Auster-Übersetzer Werner Schmitz legt ein schmales Bändlein mit neuen Kurzgeschichten des Amerikaners vor: Das rote Notizbuch. Es birgt die erzählerische Essenz des 1995 erschienenen Red Notebook. Wäre, was man da auf deutsch in Händen hält, nur eine Spur weniger brisant, so müsste man es beklagen, dass nicht auch noch die Essays, die Gespräche und "das Gebet für Salman Rushdie" übersetzt wurden. "True Stories" sind die Kurzgeschichten, Geschichten also, die das Leben schrieb, wahre Begebenheiten, die Auster z.T. selbst erlebt hat, z.T. aber auch vom Hörensagen kennt. Sie zu lesen dauert keine Stunde, und die eine oder andere zu erzählen braucht Auster "keine drei Minuten." Doch der Gewinn aus diesen Miniaturen ist gross.

In der letzten der insgesamt 13 Kurzgeschichten berichtet Auster, wie er auf das Eingangsmotiv seiner New Yorker Trilogie gekommen ist: durch einen Anrufer, der sich beim Suchen einer Detektivagentur verwählt hatte, durch eine falsche Verbindung... Keimzellen für potentielle Romane aber bergen alle diese Geschichten. Die Thematik des Zufalls durchzieht sie wie ein roter Faden. Und der greift manchmal spektakulär ins Geschehen ein. So in der Erzählung über den jugoslawischen Partisanen aus dem Zweiten Weltkrieg, der am gleichen Tag zweimal knapp dem Tod und einmal, nicht weniger knapp, einer Beinamputation entrann: Der Arzt "hatte die Säge schon angesetzt, als wieder eine Detonation ertönte. Das Dach der Hütte brach ein, die Wände klappten zusammen, das Lazarett war zerstört. Und wieder einmal verlor S.s Onkel das Bewusstsein. / Als er diesmal aufwachte, fand er sich in einem Bett wieder. Die Laken waren weich und sauber, in dem Zimmer roch es angenehm, und sein Bein war noch da, wo es hingehörte. Gleich darauf sah er einer schönen jungen Frau ins Gesicht. Sie hielt ihm lächelnd einen Löffel Brühe an den Mund." Am Schluss dieser dramatischen Erzählung fehlt der Hinweis darauf nicht, dass derselbe Mann später als Versicherungsvertreter in Chicago sein Dasein fristete. Darin zeigt sich, worum es Auster wirklich geht: um die Transzendierung und Irritation des allzu Gewohnten.

Der Zufall dient in diesen Kurzgeschichten nicht der Erklärung eines rätselhaften Geschehens, sondern der Realisierung der Kontingenz des Tagtäglichen. "I believe the world is filled with strange events. Reality is a great deal more mysterious than we ever give it credit for", sagt Auster. Der Zufall wird nur um so feinsinniger konstatiert, je unscheinbarer er sich ins Alltägliche mischt, etwa durch ein kleines Glück, das ausser den Betroffenen kaum jemand bemerkt und das diese selbst oft ganz unterschiedlich wahrnehmen. Solche Spannungen verhindern es, dass Austers Erzählungen je in die Botschaft der Beruhigung abgleiten.

Nicht zuletzt handeln die Kurzgeschichten auch von Paul Austers eigener Existenz. Aus der Zeit, als er noch völlig unbekannt war und mitunter die ausgefallensten Jobs annahm, erfahren wir z.B., dass er 1973 mit einer Freundin ein abgeschiedenes Anwesen in Südfrankreich verwaltet habe, in einer idealen Umgebung für zwei junge Schriftsteller, die ihr Talent entwickeln wollen. Die Besitzer aber entlöhnten die beiden so kärglich und das Geld für Übersetzungen, mit dem sie gerechnet hatten, überwiesen die Verlage so spät, dass sie eines Tages in der Tat schier eine Dose Hundefutter geöffnet hätten - wäre da nicht unversehens der Zufall zu Hilfe gekommen...

 Florian Vetsch






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