Lee Andrea

Vollmond über Mailand

Sonstige. DuMont, Köln. 251 Seiten. 19.90 EUR . ISBN: 3-8321-7823-6

Schwarze Exotinnen auf der Suche nach ihrer Identität
Lee  Andrea: Vollmond über Mailand

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“La classica Americana” - Die italienischen Upper Class-Machos drücken einer dunkelhäutigen gutaussehenden Amerikanerin sofort diesen Stempel auf. Ihr Vorurteil bedeutet soviel wie: Hübsch, nicht sehr intelligent, aber eine gute Partie, denn geeignet fürs Bett und als exotische Begleitung für Small Talk-Partys, da sie viele neidische Blicke auf sich zieht. Diese von sich selbst überzeugten Nice-Guys sind der Auffassung, dass sich so ein Weibchen die erwünschte Akzeptanz nur erschleichen kann, wenn sie sich in die Abhängigkeit eines Geschöpfs ihrer Art begibt.
In Andrea Lees Kurzgeschichten erzählen ganz unterschiedliche Frauen afro-amerikanischer Abstammung Episoden aus ihrem Leben in der neureichen oberflächlichen Gesellschaft von Mailand, Rom oder Turin, wo man sich für Geld alles kaufen kann.
Hier leistet “Mann” sich vor allem auch wechselnde Ehefrauen, denn hat man von der einen Gattin genug, bekommt man schnell wieder ein neues Vozeige-Modell ab.
Das Motiv der “verderbten Stadt”, das in den Geschichten immer wieder zu finden ist, kann als Symbol für das Leben an der Oberfläche gelesen werden, in dem alle aneinander vorbei existieren und sich nur für das eigene Image interessieren.

In der englischen Originalfassung ist Andrea Lees Buch unter dem Titel “Interesting Women” erschienen, der bezeichnend für die Protagonistinnen der Geschichten ist. Es sind interessante kluge Frauen, die studiert haben und erfolgreich im Job sind. Sie verpüren einen inneren Drang, die Spuren ihrer Ahnen verfolgen, um zu verstehen, wer sie sind und wohin sie gehören. Aufgrund der immer noch vorhandenen Vorurteile gegen Schwarze sehen sie die Kluft zwischen Arm und Reich aus einer in ihrer Herkunft verankerten Weltanschauung.
Sie beweisen allerdings ihre Stärke nicht dadurch, dass sie aus dem Rollenspiel, in das sie sich integriert haben, versuchen auszubrechen, sondern sie inszenieren ihre Rollen als “exotische Halb-Göttinnen”, die sie für die Weißen, einschließlich ihrer europäischen Ehemänner, darstellen, mit Bravour, auch wenn es manchmal schmerzvoll ist, nur aus diesem einen beschränkten Blickwinkel bewertet zu werden.

Das Land, die Menschen, die Partner – alles bleibt ihnen fremd, um doch machen sie keine ernsthaften Fluchtversuche, denn sie wissen, dass sie als Schwarze trotz allem Glück gehabt haben, dort hingekommen zu sein, wo sie stehen. Diese Ehrfurcht ist das Resultat ihrer familiären Herkunft: In ihrem Blut tragen sie die Erfahrung eines Lebens auf dem “Schachbrett” Amerika, ein Land, in dem die schwarze Bevölkerung für die Weißen das feindliche Gegenüber darstellt. Auf Urlaubsreisen in den Süden, nach Madagaskar oder Kuba, finden Begegnungen mit Frauen ihrer Hautfarbe statt, die der Unterschicht angehören und den ewigen Traum vom besseren Leben träumen, das ihnen von den wohlhabenden Touristen rücksichtslos vor Augen geführt wird.

Eine impulsive Kraft entsteht, wenn sich die Frauen solidarisieren. In der Geschichte “Vollmond über Mailand” behaupten sich die in der Werbebranche tätigen Freundinnen Clay und Merope gemeinsam gegen eine Männerwelt, die sie als frauenfeindlich entlarvt haben.
Männliche Leser könnten sich bei feminsitischen Tipps unter Frauen sicherlich auf den Schlips getreten fühlen, wenn beispielweise Nelda in “Nebel und Cappuccino” ihrer Bekannten in Sachen Männerwahl aus Erfahrung rät: “Es mag dir ja langweilig vorkommen, aber langweilige Männer geben oft die besten Ehemänner ab. Die enttäuschen dich nicht, denn du weißt ja, was du hast.”

Schwarz und Weiß, Mann und Frau, Arm und Reich – diese nebeneinander stehenden unaufhebaren Gegensätze sind in verschiedener Ausführung und Gewichtung in allen dreizehn “Storys” wiederzufinden. Da die Autorin Andrea Lee diese Themen in unterschiedlichen Variationen, bei denen sie auch Textgattungen wie Drama oder Briefform gewählt hat, intensiv verarbeitet, sollte man auch einen Blick auf ihre Biographie werfen. Die in Philadelphia geborene Afro-Amerikanerin hat einen italienischen Mann geheiratet und lebt heute in Turin. Bisher hat sie den autobiographischen Familienroman “Sarah Philipps” veröffentlicht.
Andrea Lee entführt den Leser in ihren Geschichten in ganz unterschiedliche Länder und Welten und verknüpft dabei äußere Handlung mit inneren Reflexionen, wobei beides zum Weiterdenken anregt. Ihre Beschreibungen sind klar und präzise und es gelingt ihr, Atmosphären aufzubauen, die sich unaufdringlich hinter die Szenen legen und doch eine große Wirkung haben.
Die Geschichten ergeben zusammen gelesen ein Ganzes und doch spricht jede für sich.

Allerdings hätte man beim Redigieren etwas sorgfältiger arbeiten können, dann müßte sich kein Leser über unschöne Schreibfehler in einer fast zwanzig Euro teuren Hardcover-Ausgabe wundern. Bleibt zu hoffen, dass diese Stolpersteine schon in der nächsten Auflage den Lesefluss nicht mehr behindern werden.






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