Federico Andahazi

Lord Byrons Schatten

Roman. Rowohlt, 190 Seiten. 39.90 DM . ISBN: 3-498-00060-8

Federico  Andahazi: Lord Byrons Schatten

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Das literarische Quartett des Jahres 1816 setzte sich aus Mary Godwin Wollstonecraft Shelley, Jane Clairmont, George Gordon Lord Byron und Percy Bysshe Shelley zusammen. Diese feine Gesellschaft, zu der noch Byrons Sekretär, Dr. John William Polidori, gehört, quartiert sich in der Villa Diodati am Genfer See ein. Trotzdem steht die Viererbande nicht im Mittelpunkt der Story. In der Person des Sekretärs, der insgeheim von literarischem Ruhm träumt, manifestiert sich der Kern des Romans, dessen Titel „Lord Byrons Schatten“ möglicherweise etwas anderes als eine verzwickte, abenteuerliche, geheimnisvolle und erotische Geschichte vermuten lässt. Ein Brief in einem schwarzen Umschlag, den der Sekretär findet, setzt die mysteriösen Geschehnisse in Gang.

Federico Andahazi mischt in sparsamer Dosierung reale Personen mit erfundenen Tatsachen zu einem Verwirrspiel um Liebe, Bücherschreiben und Intrigen. Bereits mit seinem ersten Roman „Im Land der Venus“ löste er in seiner Heimat Argentinien heftige Kontroversen wegen der offen beschriebenen Erotik aus. Auch „Lord Byrons Schatten“ bedient sich neben der altmodischen Erzähltechnik einer freizügigen Schilderung sexueller Eskapaden. Denn der Roman ist nicht nur ein Buch über Bücher, sondern auch ein deftiges Werk aus der allzu menschlichen Liebessehnsucht und –aneignung.

Der Brief. Darin erzählt das „Monster“ Annette Legrand von ihrem Leben als deformiertes Anhängsel der Zwillinge Babette und Colette: „Ich bin der Wirbelbogenspalte einer meiner Schwestern entwachsen, war ein Teratom in der Höhle des schwesterlichen Unterleibs, einer dieser Parasiten, die, wenn sie herausgeschnitten werden, das entsetzliche Aussehen eines halb fertigen Menschen haben: ein Büschel aus Haaren, Nägeln und Zähnen. In Eurem Beruf dürftet ihr gewiss mehr als ein solches Exemplar gesehen haben.“

Hanebüchene Verwicklungen und immer wieder schäbige Misstöne im Verhältnis zu Byron und Shelley reißen Polidori zwischen Realität und den Briefen Annettes hin und her. Urkomische Szenen voll praller Erotik und stummer Häme machen aus der einfachen Monsterstory eine literarische Kostbarkeit. Annettes Jagd nach dem männlichen Samen als Lebenselixier ihrer Existenz gipfelt sogar in Mord und Totschlag. Polidori und Annette besiegeln einen Pakt: Er versorgt sie mit seinem Samen, während sie die später Lord Byron zugeschriebene Erzählung „Der Vampir“ komplett für ihn niederschreibt. Sein Ruhm entsteht gewissermaßen aus dem eigenen Saft.

Tatsächlich gibt es in der Literaturgeschichte den Fall der gestohlenen Autoreneigenschaft. John Polidoris „The Vampyre“ erschien 1819 im „New Monthly Magazine“ unter dem Autorennamen Lord Byrons. Der deutsche Autor Reinhard Kaiser veröffentlichte 1991 einen Roman mit dem Titel „Der kalte Sommer des Doktor Polidori“, in der die Reise nach Genf eine zentrale Rolle spielt, allerdings ohne die mysteriöse Vampirgeschichte.

Andahazis Kunst besteht nun darin, einen Roman über Bücher und ihre außerliterarischen Begleiterscheinungen geschrieben zu haben, ohne dabei die Literatur als solche ins Zentrum zu stellen. Kleine Verstrickungen in Nebenschauplätze, wie die Erfindung einer Lektormaschine, lassen eine längst vergangene, ja, versunkene Welt der Literatur neu entstehen. Genauso stark wie Polidori glaubt, die perfekte Erzählung geschrieben zu haben, genauso penibel und doch leichthändig stülpt Andahazi uns eine perfekte Scheinwelt über. Der Schauder aber bleibt. Und das bedauernswerte Lebeunwesen Annette Legrand sorgt für nachhaltige Gänsehaut während der abendlichen Lektüre im Bett.


Textauszug:
„Er kehrte von jener diffusen Grenzlinie zurück, die den Halbschlaf vom Wachen trennt, und überschritt die Schwelle, an der das Verlangen greifbare Formen annimmt, die Realität jedoch nur eine flüchtige Ungewissheit ist.“


 

 






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