Amitav Ghosh
Der Glaspalast
Bestseller. Blessing, München. 606 Seiten. 49.00 DM . ISBN: 3-89667-120-0
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Im Glaspalast der birmanischen Residenzstadt Mandalay treffen sie zum ersten Mal aufeinander: der zwölfjährige elternlose Inder Rajkumar und die etwas jüngere Zofe Dolly. Gerade ist etwas Unerhörtes geschehen. Im Zuge der Invasion englischer Truppen haben sich einfache, meist zerlumpte Menschen getraut, dieses zuvor hermetisch von der Umwelt abgeschottete Märchenschloss zu betreten. Fassungslos starren die Plünderer auf den gleißenden Reichtum, merkwürdig bewegt blickt Rajkumar in das entzückende Antlitz Dollys. Bald darauf ist der König und sein Gefolge Gefangener der britischen Kolonialherrn und wird auf eine weite Reise in ein ungastliches Exil geschickt. Während viele Höflinge die Zeichen der Zeit erkennen und das Weite suchen, bleibt Dolly in Diensten der einst gottähnlichen Herrscherfamilie.
Währenddessen hat der junge Rajkumar mit existenziellen Problemen zu kämpfen. Hatte er schon vor seiner Ankunft in Birma seine Eltern durch eine Seuche verloren, verliert er in den Wirren des englischen Einmarsches seinen einzigen Halt, eine resolute Garköchin, bei der er Arbeit, Kost und Logis gefunden hatte. Doch er schlägt sich durch, wird sogar ein erfolgreicher Händler im boomenden Geschäft mit Teakholz. Als er nach langen Jahren nach Ratnagiri kommt, dem indischen Exil des birmanischen Königs, sieht er Dolly wieder. Sie heiraten und ziehen nach Birma.
Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Erstarken der indischen Unabhängigkeitsbewegung nimmt die Politik immer stärkeren Einfluss auf den Fortgang des Geschehens. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine weit verzweigende Familiengeschichte, die erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg endet in den 60er Jahren, als Rajkumars Sohn ein Fotogeschäft mit dem Namen "Glaspalast" führt.
Dem renommierten indischen Autor ist eine bewegende Familiensaga mit orientalischem Flair gelungen und die überzeugende Schilderung der Geschichte Birmas und Indiens während der letzten gut einhundert Jahre. Besonders am Herzen lag es Ghosh, zu zeigen, wie kaltblütig die britischen Kolonialherren Inder und Birmanen gegeneinander ausspielten und wie bereitwillig Inder bei der Unterdrückung ihrer Nachbarn mitwirkten.
Dietmar Adam
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