Gilbert Adair
Träumer
Roman. Edition Epoca, 166 Seiten. 20.00 EUR . ISBN: 3-905513-31-5
Home Movies und Pflastersteine
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Die Cinémathèque Française und ihr Gründer Henri Langlois waren schon in den wilden 60er Jahren ein Mythos. Ganze Generationen von Filmsüchtigen pilgerten regelmäßig in das monumentale Palais de Chaillot, wo sie untergebracht ist. Im Frühjahr 1968 kam es zu einem Eklat, als André Malraux, de Gaulles Kulturminister, Langlois entlassen wollte. Die Cinémathèque wurde geschlossen, viele Filmkünstler und andere Intellektuelle protestierten vehement gegen die Entlassung. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Filmfan an Truffauts „Geraubte Küsse“ mit seiner Widmung für Langlois und dem Schild „fermé“ vor dem Eingang der Cinémathèque.
Auch das französische Zwillingspaar Théo und Isabelle sowie der amerikanische Student Matthew zählen zu den Süchtigen, die kaum einen Film auslassen und trotz ihrer Jugend bereits zu wandelnden Filmlexika geworden sind. Entsprechend hart trifft sie die Schließung ihrer Kultstätte. Doch die Notsituation schweißt sie noch enger zusammen. Matthew, der bisher in einem Hotel lebte, wird in die geräumige Wohnung der Geschwister eingeladen. Als dann auch noch die Eltern der Zwei in die Ferien entschwinden, tauchen die Freunde in ihre eigene Welt der Home Movies ab. Aus den harmlosen Wissensfragen werden bald verfängliche Pfänderspiele, wird der verklemmte Matthew in die knisternde Erotik der Geschwisterliebe hinein gezogen. In einer verzehrenden Amour fou gefangen, kapseln sich die Drei immer mehr von der Welt ab, bis eines Tages ein Pflasterstein ein Fenster zertrümmert und die Realität des Pariser Mai 68 sie einholt. Die Zeit des Träumens ist vorbei.
Der bereits 1989 erstmals erschienene und damals als bestes Erstlingswerk ausgezeichnete Roman kommt jetzt in einer neuen Fassung auf den Markt, die auch als Drehbuch für die Verfilmung durch Bernardo Bertolucci dient.
Eine intime und spannende Geschichte über erste und verbotene Liebe, Protest und Aufruhr, Politik und Kino.
Dietmar Adam
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